Haruki Murakamis „1Q84“

 

Zwei gute Freundinnen haben mir ein Buch empfohlen. Oder eher einen Autor: Haruki Murakami. Ich mag es, Bücher zu lesen, die einem von Leuten empfohlen wurden, die man kennt. Was jemand mag sagt viel über ihn aus. Besonders bei Büchern, finde ich, die brauchen mehr Zeit als Filme oder Fotos oder Klamotten. Nun, deswegen habe ich 1Q84 angefangen, das ist das Bekannteste von Harukiii (wie meine Freundin ihn liebevoll nennt, wahlweise auch mal mit noch ein paar mehr i‘s). Ich weiß nicht wie man den Titel aussprechen soll, oder ob es überhaupt eine korrekte Art gibt ihn auszusprechen, aber das bleibt mir hier ja ohnehin erspart.

Das Buch beschäftigt mich, deswegen möchte ich darüber schreiben. Es hat mich gepackt. Das heißt für mich, dass ich beim Lesen völlig vergesse bei welchem Kapitel oder auf welcher Seitenzahl ich gerade bin, dass ich es überall mit hinschleppe, dass ich mir den Handytimer stellen muss, wenn ich nur wenig Zeit zum Lesen habe und, dass ich nachts manchmal von der Geschichte träume.

Den Inhalt nur ganz grob: Die Geschichte spielt 1984 in Tokio und ist ein bisschen verbunden mit George Orwells 1984, zumindest wird der Roman mehrmals erwähnt. Es gibt zwei Hauptfiguren, Mann und Frau (Tengo und Aomame), aus deren Sicht von Kapitel zu Kapitel immer abwechselnd erzählt wird. Ersteinmal sind es zwei unterschiedliche Handlungsstränge, aber natürlich sind ihre Geschichten irgendwie miteinander verbunden. „1Q84“ steht für eine Art Parallelwelt, in die die Charaktere geraten, die sich aber gar nicht so besonders von der „normalen“ Welt unterscheidet. Im Buch heißt es: „An einem gewissen Punkt einer zeitlichen Schiene wurde eine Weiche umgestellt, so könnte man sagen, und die Welt wurde auf das Gleis des Jahres 1Q84 verschoben. […] Für die Mehrheit ist die Welt unverändert, sie ist wie immer.“ Erkennen kann man die neue Welt allerdings daran, dass zwei Monde – ein kleinerer grüner kommt zu unserem dazu –  am Himmel zu sehen sind. Wie praktisch.

Was ich sofort gemerkt habe ist, dass das Buch kein deutsches Original ist, sondern aus einer fremden Sprache kommt, die ganz anders funktioniert. Ich spreche kein Japanisch und ich weiß nicht viel darüber, aber ich kann mir vorstellen, dass das Übersetzen nicht so einfach ist. Es gibt ein paar seltsame Metaphern, die wirken, als würde sie kein deutscher Autor jemals benutzen. Die Sätze sind stellenweise ungewöhnlich und fremd. Obwohl der Text auf Japanisch wahrscheinlich ein wenig beeindruckender wäre, finde ich die Übersetzungsprobleme aber gar nicht besonders schlimm. Die Geschichte spielt ja auch an einem für uns fremden Ort, da passt ein bisschen Verwirrung zur Atmosphäre.

Ich könnte mich nicht festlegen zu welchem Genre das Buch gehört. Zu nah an der realen Welt für Fantasy, aber trotzdem fantastisch und ein bisschen surreal. Schon romantisch aber nicht wirklich eine Liebesgeschichte. Manchmal ein bisschen krimihaft. Die Geschichte wirkt rätselhaft, aber ohne, dass sie sich bemüht wirklich schwere Rätsel zu stellen. Die Geschehnisse sind vorhersehbar, die Verbindungen zwischen den Personen sind schnell klar, es gibt keinen drastischen Plot Twist oder Aha-Moment und man fühlt sich nicht scharfsinnig, wenn man auf etwas kommt. Das Buch lässt sich Zeit. Teilweise war ich ein bisschen genervt von der Redundanz, aber vielleicht soll die dafür sorgen, dass inhaltlich nichts entgeht. Damit man Zeit hat wertzuschätzen, wie die Geschichte aufgebaut ist und auf welche Weise sie verläuft und nicht davon abgelenkt ist, die Zusammenhänge zu verstehen. Was eigentlich passiert hätte man wahrscheinlich auch in einem halb so dicken Buch unterbringen können, aber dann würde etwas fehlen. Und man würde die Charaktere nicht so unglaublich ausführlich kennenlernen.

Manchmal wird über dicke Wälzer gesagt, dass sie sich bei Lesen längst nicht so lang anfühlen. 1Q84 ist ein dicker Wälzer und er fühlt sich auch genauso an. Ist man durch merkt man, dass man grade ziemlich viele Seiten gelesen hat. Aber das fand ich gar nicht schlimm, denn es war schön so lange etwas von der Geschichte zu haben. Es gibt einen etwas kürzeren zweiten Teil, der bald bei mir im Regal steht!

 

Zwei Zitate, die mir gefallen haben, ich finde sie geben einen guten Eindruck:

Aomame zog die Mundwinkel leicht auseinander, wie normale Menschen es tun, wenn sie lächeln, doch in Wirklichkeit lächelte sie nicht. Es sollte nur heißen, dass sie lächelte.

„Wo hast du denn damit geschossen?“ „Ach, schon mehrmals. Als ich einmal an einer Quelle saß und Harfe spielte, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts eine Fee auf und reichte mir eine Baretta 92. Sie sagte, ich sollte doch mal auf einen weißen Hasen schießen, der dort hoppelte.“ „Eine wahre Geschichte.“ Die Falten um Tamarus Mundwinkel vertieften sich ein wenig. „Ich erzähle nur wahre Geschichten.“